So entstand der Nord-Ostsee-Kanal
Der Nord-Ostsee-Kanal, auch bekannt als Kiel Canal, ist eine beeindruckende Wasserstraße, die die Nordsee mit der Ostsee verbindet. Die Entstehungsgeschichte dieses Kanals war von wirtschaftlichen, strategischen und politischen Überlegungen geprägt. Der Nord-Ostsee-Kanal ist heute eine der meistbefahrenen künstlichen Wasserstraßen der Welt und erspart der Seeschifffahrt einen Umweg von 260 Seemeilen.
Die Idee für einen Kanal
Als Vorläufer des Kiel Canal gilt der Eiderkanal. Ihn ließ man in den Jahren 1777 bis 1784 erbauen. Auftraggeber war der damalige dänische Landesherr und König Christian VII. Der Kanal erstreckte sich von Kiel bis zum Fluss Eider (Untereider) bei Rendsburg. Von dort aus konnten Schiffe über Tönning in die Nordsee gelangen. Der Eiderkanal (Schleswig-Holsteinischer Kanal) blieb zwischen 1784 und 1890 in Betrieb. Rund 300.000 Schiffe nutzten seinen Weg über die Jahre. Teile der Schleusen und Brücken sind bis heute erhalten geblieben. Der östliche Teil wird heute vom Kiel Canal genutzt.
Karte des Eider-Kanal im Museum Rendsburg:
Die Idee, eine direkte Verbindung zwischen Nord- und Ostsee zu schaffen, existierte bereits im 16. Jahrhundert. In den folgenden Jahrhunderten machte man verschiedene Vorschläge, doch erst im 19. Jahrhundert entwickelte sich hieraus ein ernsthafter Plan für den Bau eines Kanals. Zu dieser Zeit kam der Schifffahrt als Transportmittel eine immer offensichtlicher Bedeutung zu. Ein effizienter Wasserweg zwischen den beiden Meeren erschien daher als logische Lösung.
Die Planungen werden in die Tat umgesetzt
Die Planungen für den Nord-Ostsee-Kanal trieben im 19. Jahrhundert verschiedene politische und wirtschaftliche Entwicklungen vor. Mit der Industrialisierung wuchs die Nachfrage nach einem schnellen und kostengünstigen Transportweg für Güter, insbesondere für die aufstrebende deutsche Wirtschaft. Der bestehende Seeweg um das Skagerrak herum war zeitraubend und teuer, da er einen Umweg um die Halbinsel Jütland erforderte.
Die politischen Veränderungen in Europa, insbesondere die Gründung des Deutschen Kaiserreichs im Jahr 1871, spielten ebenfalls eine entscheidende Rolle. Die strategische Bedeutung eines Kanals als Verbindung zwischen den deutschen Seehäfen an der Nordsee und der Flotte in der Ostsee wurde erkannt. Kaiser Wilhelm II. unterstützte aktiv den Bau des Kanals, und die Planungen wurden vorangetrieben. Nach vielen Diskussionen über eine mögliche Streckenführung genehmigte der Reichstag schließlich im Jahr 1886 die Mittel für den Bau des Kanals. Den Grundstein legte Kaiser Wilhelm I. am 3. Juni 1886 in Kiel-Holtenau.
Baubeginn
Am 21. Juni 1887 erfolgte der offizielle Baubeginn des Nord-Ostsee-Kanals. Die Bauarbeiten waren eine ingenieurtechnische Meisterleistung, die zahlreiche Herausforderungen überwinden musste, darunter topografische Gegebenheiten und die Notwendigkeit, bestehende Siedlungen zu berücksichtigen. Viele der 8.900 Beschäftigten aus dem europäischen Ausland fanden Arbeit auf der Baustelle, manch einer blieb sogar für immer. Sie bewegten insgesamt 80 Millionen Kubikmeter Erde. Bei der Fertigstellung war die Wasserstraße 67 m breit und 9 m tief. Da der Kanal eine unüberwindbare Hürde für die Anwohner darstellte, mussten viele Brücken gebaut werden. Die 14 Fähren entlang der Wasserstraße sind daher bis heute kostenfrei.
Die Bauzeit dauerte etwa acht Jahre, und der Kanal wurde am 20. Juni 1895 nach 8 Jahren Bauzeit offiziell eröffnet. Für den Bau waren 156 Mio. Reichsmark eingeplant. Eine Summe, an die man sich am Ende auch halten sollte. Mit einer Länge von über 98 Kilometern verkürzt er die Strecke zwischen Nordsee und Ostsee somit erheblich. Der Kanal war nicht nur ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor, sondern auch ein beeindruckendes Zeugnis deutscher Ingenieurskunst und infrastruktureller Planung. Bei der Fertigstellung war jedoch schon absehbar, dass Schiffe neueren Typs nicht mehr durch den Kanal und die Schleusen passen würden. Daher war ein folgender Ausbau unerlässlich.
Arbeiten am Kanal – Quelle Schleusen Info Zentrum Brunsbüttel:
Erste Vergrößerung des Nord-Ostsee-Kanal
Noch während der Kaiserzeit ließ man den Nord-Ostsee-Kanal in den Jahren 1907 bis 1914 erheblich vergrößern. Die Erweiterung des Kanals war Teil eines größeren Modernisierungs- und Ausbau Programms in der deutschen Schifffahrt und Marine. Die Wassertiefe stieg dabei auf 11 Meter und die Breite auf 102 Meter. Am wichtigsten waren jedoch die vier neuen und größeren Schleusen für größere Schiffe. Interessant ist, dass der Ausbau teurer ausfiel als der ursprüngliche Bau. Dennoch blieb man auch hier mit 242 Mio. Reichsmark im Kostenrahmen.
Die strategischen Überlegungen waren auch eng mit den geopolitischen Entwicklungen und der maritimen Verteidigungsstrategie des Deutschen Kaiserreichs verbunden. Mit dem Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals will man eine schnellere und effizientere Verbindung zwischen der Nordsee und der Ostsee schaffen. Dies war von strategischer Bedeutung, da die Marine des Deutschen Kaiserreichs im Ostseeraum und Nordseeraum operierte. So ließen sich die Seestreitkräfte zwischen dem Marinehafen Wilhelmshaven und Kiel einfacher verlegen und stärkten somit die Verteidigungsfähigkeiten.
Die wirtschaftlichen Überlegungen spielten ebenfalls eine entscheidende Rolle. Die Kaiserzeit war geprägt von einem starken wirtschaftlichen Aufschwung und einer wachsenden Industrie. Der Nord-Ostsee-Kanal war eine wichtige Wasserstraße für den Handel und den Transport von Gütern. Mit der Vergrößerung des Kanals ließ sich die Kapazität für den steigenden Handelsverkehr merklich erhöhen.
Zweiter Ausbau
Die wachsende Intensität des Schiffsverkehrs und die zunehmenden Größen der Schiffe stellten eine steigende Belastung für die Böschungen des Nord-Ostsee-Kanals durch Wellen dar. Infolgedessen folgte in der Zeitspanne von 1965 bis 2001 ein umfassendes Anpassungs- und Sicherungsprogramm. Insbesondere wurde die Weststrecke von Brunsbüttel bis zur Weiche Königsförde durch eine Erweiterung der Sohlbreite auf 90 Meter angepasst.
Im Abschnitt von der Weiche Königsförde bis zum Binnenhafen Kiel-Holtenau (Kanalkilometer 80-96) konnte man jedoch aufgrund der ausreichenden Standsicherheit der Böschungen auf eine Vergrößerung des Querschnitts verzichten. Dieser Abschnitt, der noch heute die Abmessungen von 1914 aufweist, hat sich jedoch aufgrund des wachsenden Schiffsverkehrs zu einem Engpass entwickelt. So müssen vermehrt Schiffe warten, um andere passieren zu lassen, was viel Zeit und Geld kostet. Um dieser Herausforderung zu begegnen und die Zukunftsfähigkeit des Nord-Ostsee-Kanals nachhaltig zu sichern, lässt man derzeit Maßnahmen zur Verbesserung und Erweiterung der Oststrecke sowie weitere Investitionsprojekte durchführen. Diese Entwicklungen zielen darauf ab, den Kanal an die modernen Anforderungen des Schiffsverkehrs anzupassen und Engpässe zu minimieren.
Grundsteinlegung durch Kaiser Wilhelm I. und Eröffnung durch Kaiser Wilhelm II. – Quelle Kieler Schifffahrtsmuseum
Dritter Ausbau
Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) ergreift Maßnahmen, um den Nord-Ostsee-Kanal auf die künftigen Anforderungen des Schiffsverkehrs vorzubereiten. Insbesondere konzentriert sich die Entwicklung auf die Oststrecke zwischen Großkönigsförde und Kiel-Holtenau, wobei man mehrere Bereiche ausbaut. Nach sorgfältigen Voruntersuchungen wurde eine Ausbaulösung erarbeitet, die sowohl einen maximalen Nutzen für die Schifffahrt gewährleistet als auch Eingriffe in Natur und Landschaft minimiert. Die geplanten Maßnahmen beinhalten die Verbreiterung des Kanals auf eine Mindest-Sohlbreite von 70 Metern sowie die Erweiterung der Radien enger Kurven, um die Durchfahrt für Schiffe zu erleichtern.
Insgesamt wurden sechs Teilabschnitte im Plan aufgenommen, die die Planer in sinnvollen Bauabschnitten zusammengefasst und nacheinander umsetzen wollen. Der erste Bauabschnitt begann im Januar 2020 und erstreckte sich über den Bereich zwischen Großkönigsförde und Schinkel. Hierbei ist zunächst keine Anpassung der Wassertiefe vorgesehen. Allerdings prüft man derzeit die Möglichkeit einer solchen Vertiefung. Die gezielten Ausbaumaßnahmen zielen darauf ab, die Leistungsfähigkeit des Kanals zu optimieren und den kommenden Herausforderungen des Schiffsverkehrs zu begegnen.
Zahlen und Fakten zum Nord-Ostsee-Kanal
- Einweihung: Am 21. Juni 1895 durch Kaiser Wilhelm II. als Kaiser-Wilhelm-Kanal
- Abkürzung: NOK
- Internationaler Name: Kiel Canal
- Verlauf: Brunsbüttel an der Elbe bis zur Kieler Förde bei Kiel-Holtenau
- Länge: 98,6 km
- Wassertiefe: 11 m
- Bauzeit: 1887–1895
- Brücken: 10
- Tunnel: 2
- Fähren: 14
- Schleusen
- 4 Schleusen von 1895 in Brunsbüttel und Kiel-Holtenau, 310 m × 42 m
- 4 Schleusen von 1914 in Brunsbüttel und Kiel-Holtenau, 125 m × 22 m
- 1 Neue Schleuse in Kiel-Holtenau
- Maximaler Tiefgang für Schiffe: 9,5 Meter
- Sohlbreite: 90 Meter
- Schiffe pro Jahr: Ca. 28.000
- Dauer der Durchfahrt: 8 Stunden
- Erbauungskosten: 156 Mio. Reichsmark wie geplant
- Erweiterungskosten: 242 Mio. Reichsmark wie geplant
- Aktuelle Erweiterungskosten: Von 869 Mio. EUR auf fast 1,8 Mrd. EUR
- Bodenbewegung beim Bau: Mehr als 80 Mio. m3
- Namenswechsel: 1948 Umbenennung zu Nord-Ostsee-Kanal
- Direkter Vorläufer: Der 1784 in Betrieb genommene Eiderkanal
- Erweiterungen: Erste 1907–1914, zweite 1965–2002, dritte andauernd
- Weichen: 12 (Hier können sich die großen Schiffe im Kanal begegnen)
- Einsparkosten für Schiffe: Erspart Schiffen einen Umweg um Dänemark von ca. 480 km (ca. 260 Seemeilen)